Der Nachlass des Komponisten, Hochschullehrers und Musikforschers Jens Rohwer (1914-1994)  zählt zu den umfangreichsten Musikbeständen der SHLB. Weit über 700 Notenautographe, dazu Abschriften, Fotokopien und Skizzen, literarische, philosophische, musiktheoretische und -wissenschaftliche Texte und Textentwürfe sowie eine über 2.500 Briefe umfassende Korrespondenz lassen Rohwers komplexes, extrem vielseitiges, durchaus nicht bruchloses und nicht immer unstrittiges künstlerisches, kulturpolitisches, wissenschaftliches und pädagogisches Wirken anschaulich werden.

Seit der unmittelbaren Nachkriegszeit wirkte Rohwer als Professor an der Schleswig-Holsteinischen Landesmusikschule, der späteren Musikhochschule, in Lübeck, lange auch als deren Direktor. 1958 an der Kieler Universität im Fach Musikwissenschaft promoviert, verfasste er eine Vielzahl musiktheoretischer und -ästhetischer Abhandlungen. Mit starkem pädagogischen Impetus versuchte der umfassend gebildete und interessierte Intellektuelle vielfältig auf gesellschaftliche Entwicklungen der Bundesrepublik einzuwirken, illustriert u.a. durch ein umfangreiches essayistisches Œuvre. An der reformpädagogischen „Schule am Meer“ nach Idealen der Jugendbewegung erzogen, blieb Rohwer zeitlebens einem musisch getragenen Gemeinschaftsideal verpflichtet, das ihn von 1933 bis ’45 mit Vorstellungen deutscher Kultureinheit, wie sie der Nationalsozialismus propagierte, sympathisieren ließ. In ähnlichem Geiste schuf der examinierte Schulmusiker, der nach schwerer Kriegsverwundung bis 1945 in Posen Musiktheorie lehrte, durchaus auch Musik in Sinne des Regimes, wobei die rassistische und antisemitische NS-Ideologie nicht seine Motivation gewesen zu sein scheint. Nach dem Krieg ging Rohwer politisch hart mit sich ins Gericht. Sein späteres Eintreten für Amnesty International, die Grünen, die Demokratischen Sozialisten und die südafrikanische Anti-Apartheid-Bewegung kann nicht zuletzt auch als Reaktion auf sein von ihm nachträglich als falsch gewertetes Verhalten im ‚Dritten Reich‘ interpretiert werden. Dafür stehen auch zahlreiche politische Lieder der 1970er- und ‘80er-Jahre. Durchweg erhalten blieben Rohwer bereits vor 1933 gefasste Anschauungen über den kommunikativen und gemeinschaftsstiftenden Wert von Musik. Gebrauchskompositionen für musikalische Laien und pädagogische Werke bilden so einen von mehreren Schwerpunkten seines Schaffens. Tief religiös, schrieb Rohwer gleichfalls viel Kirchenmusik, Chöre, Oratorien, Kantaten, aber auch dezidiert ‚große‘, anspruchsvolle Musik für den Konzertsaal, Kammermusik, Konzerte, Sinfonien, dazu solistische Werke für Klavier, Orgel und andere Instrumente, stets jedoch in Abgrenzung von der europäischen Nachkriegsavantgarde, insbesondere vom Serialismus der 1950er- und ‘60er-Jahre. Dabei pflegte und entwickelte Rohwer eine höchst eigenständige, strikt kontrapunktisch fundierte, moderne Tonsprache. Seine Hospitation in der Berliner Kompositionsklasse Paul Hindemiths in den 1930er-Jahren scheint in ihr durch, ist aber individuell ausdifferenziert.

Die hier gezeigte digitale Auswahlpräsentation von Medien aus Rohwers Nachlass wurde 2022 von Studierenden des Musikwissenschaftlichen Instituts der CAU Kiel in einem Projektseminar unter Leitung von Dr. Alexander Lotzow zusammengestellt. Beteiligte waren Alex Brühl, Christoph Grunenberg, Alexander Hofmann, Nils Jastorff, Hannah Metz und Neele Uder. Ziel der Bemühungen war es, eine ausgewogene und seinen vielen Facetten möglichst gerecht werdende Darstellung Rohwers durch aussagekräftige Dokumente zu erzielen.

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  1. Ein DS-Lied